Freitag, 26. Januar 2007

Das unfassbare Schicksal des Saurierforschers Gideon Algernon Mantell

Er landete als Spiritus-Präparat auf dem Schreibtisch seines ärgsten Widersachers

Kelkheim bei Frankfurt (dinosaurier-welt) – Wer hat nicht schon einmal zumindest einen Moment lang mit seinem vermeintlich harten Schicksal gehadert? Wer jedoch die beiden Neuerscheinungen „In den Klauen von T. Rex“ und „Die Faszination der Versteinerung und die Entdeckung der Dinosaurier“ gelesen hat, wird erkennen, dass er im Vergleich zu dem englischen Landarzt Gideon Algernon Mantell nun wirklich keinerlei Grund zum Klagen hat. Mantell landete – sein Leben lang „verfolgt“ von dem ehrheischigen englischen Universitäts-Professor Richard Owen – schließlich als Präparat in Spiritus genau auf dessen Schreibtisch!

Mantell (3.2.1790 – 10.11.1852) war Arzt, weit mehr aber nahezu fanatischer Forscher. Er lebte in einer Zeit, in der noch immer die Zeitrechnung des Erzbischofs James Ussher Geltung besaß. Gestützt auf Adam und Eva aus der Bibel und deren Nachfahren hatte Ussher errechnet, daß Gott die Welt exakt am 23.10 4004 v. Chr. erschaffen hatte.

In diese Zeitrechnung passten Mantells Entdeckungen nun gar nicht hinein. Er verbrachte mehr Zeit mit der Sammlung und Interpretation Jahrmillionen alter Fossilien als in seiner Arztpraxis, baute so mit rund 20 000 Exponaten eine einzigartige Fossiliensammlung auf, entdeckte mehrere Dinosaurier-Arten, beschrieb sie erstaunlich exakt, gab ihnen wissenschaftliche Namen – und kam dabei nie an dem Universitätsprofessor Owen vorbei, der entweder selbst oder vertreten durch enge Vertraute an den entscheidenden Schaltstellen des damaligen Wissenschaftsbetriebs saß.

Was Mantell entdeckte, zeichnete, benannte – gab Owen als eigene Entdeckungen aus, benannte die von Mantell entdeckten Arten um, wie es ihm beliebte, „korrigierte“ Mantels zutreffende Konstruktionen und irrte dabei nahezu grundsätzlich. Und während sich Professor Owen sogar im Bauch eines absurd falsch rekonstruierten „Iguanodon“ (den Mantell zuvor richtig rekonstruiert hatte) mit seinen (ebenfalls irrenden) Anhängern in einem rauschenden Fest feiern ließ, konnte Mantell – „dank“ Owens Verrissen seiner Werke – seine Bücher nicht verkaufen, sein Fossilien-Museum zählte immer weniger (zahlende) Besucher – kurzum: In seiner Bedeutung für die Wissenschaft völlig verkannt, verarmte Mantell immer mehr, seine Frau verließ ihn samt der Kinder und Mantell musste zum Schluss wegen seiner Schulden sogar seine Jahrzehnte lang aufgebaute Fossiliensammlung verkaufen. Und die fiel ausgerechnet in die Hände von Owen; der sie aber nicht wegen ihrer Bedeutung für die Forschung kaufte, sondern um die Exponate zu tauschen, zu verschenken oder wegzuwerfen – Hauptsache die Sammlung seines Widersachers Mantell war vernichtet.

Mantell zerbrach innerlich, wurde schwer krank, doch obwohl selber Arzt: Weder er selbst, noch andere Mediziner fanden heraus, was er hatte. Und weil er als Arzt problemlos an Morphium kommen konnte, nahm Mantell gegen seine immer schlimmer werdenden Schmerzen immer mehr Morphium; und schließlich eine Überdosis. Kaum war er tot, erschien ein übler Nachruf über ihn mit dem Tenor: Der Verstorbene habe sich immer für einen Forscher gehalten, sei in Wahrheit jedoch nur ein „Stümper“ gewesen. Bald schon ging das Gerücht herum, daß Professor Owen der Autor dieses üblen Nachrufs war.

Doch es kam noch schlimmer. Um herauszufinden, was denn die Ursachen für Mantells unerträgliche Schmerzen waren (wie sich zeigte: eine Deformation der Wirbelsäule, so dass er sich selbst innerlich langsam aufspießte), wurde Mantell obduziert – ausgerechnet von seinem schlimmsten Widersacher Owen. Und der wiederum hob einen Teil der deformierten Wirbelsäule Mantells als Spiritus-Präparat in seiner Sammlung auf...

Mantell hatte mehrere Fachpublikationen veröffentlicht, aber nur ein populär-wissenschaftliches, heute ungemein seltenes und teures Werk. Diese dreibändige Publikation wiederum wurde (Freiberg 1845/6) auch ins Deutsche übersetzt und erschien unter dem Titel: „Die Denkmünzen der Schöpfung“. Die im Zusammenhang mit der Entdeckung der Dinosaurier wichtigsten Kapitel über Fische, Reptilien, Vögel und Säugetiere hat der Kelkheimer M.-G.-Schmitz-Verlag nun als Reprint (mit erläuterndem Vorwort) herausgebracht und das Thema zudem auch in Form einer lockeren Erzählung veröffentlicht.

Gideon Algernon Mantell: Die Faszination der Versteinerungen und die Entdeckung der Dinosaurier, ca. 290 Seiten, Taschenbuchformat, 22 Euro

Manfred-Guido Schmitz, In den Klauen von T. Rex. Das unfaßbare Schicksal des Saurier-Forschers Gideon Mantell. Erzählung, 85 Seiten, DIN A 5, 7,80 Euro

M.-G.-Schmitz-Verlag/Kelkheim
http://www.schmitz-verlag.de

Keine Kommentare: